Gehören die berühmten Herzchen-Buttons auf Instagram bald der Vergangenheit an?
Aktuell nutzen 2.7 Millionen Menschen in der Schweiz Instagram (Stand März 2020), weltweit sind es sogar eine Milliarde. Sie erstellen eigene Inhalte oder kommentieren und liken Beiträge anderer. Doch vor rund einem Jahr, im Mai 2019, startete Instagram bereits in einigen Ländern, wie Neuseeland, Kanada, Irland und Italien die ersten Tests ohne Like-Button. Dort wurde analysiert, wie sich das Verhalten der Nutzer ändert, wenn dieser nicht mehr vorhanden ist.
Die Anzahl der Likes wird dann nur noch dem Account-Inhaber angezeigt. Damit kann ein Influencer immer noch die erreichte Engagement-Rate rapportieren. Alle anderen User sehen jedoch nur noch welche Freunde (bzw. die Accounts, denen man auch folgt), das Bild geliked haben. Die Gesamtanzahl der Likes ist hingegen nicht mehr ersichtlich.
Wie eine solche Anzeige in Zukunft aussehen könnte, sieht man am unten stehenden Screenshot.
Was passiert, wenn die Likes nicht mehr da sind?
Instagram hat in einer Pressemitteilung mitgeteilt, dass die Tests bis jetzt sehr positiv ausgefallen sind. Was sie genau mit positiv meinen ist unklar. Was wir jedoch wissen, und auch einige Studien belegen, ist, dass Social Media einen negativen Einfluss auf unsere mentale Gesundheit haben kann.
In der Online-Welt können Likes mit öffentlicher Zustimmung gleichgesetzt werden. Ziel ist es nicht nur Inhalte zu teilen, sondern auch möglichst viele Likes (positive Reaktionen) dafür zu erhalten. Viele Nutzer berichten zudem, wie sie sich oft dabei ertappen, nach dem Posten regelmässig einen Blick auf die Like-Zahlen zu werfen. Denn das Ausbleiben der Likes ist vergleichbar mit einem unangenehmen Schweigen.
Mit diesem Mechanismus bindet Instagram die Nutzer an die Plattform und sichert zugleich den Strom an werberelevante Daten. Hirnforscher beschreiben, wie der Zuspruch auf Social Media unser Hirn beeinflusst. Ein gutes Gefühl, wird durch immer neue Likes ausgelöst. Das heisst, für unser Hirn ist es stimulierender, wenn man statt innerhalb einer Stunde, über den Tag verteilt 100 Likes für einen Beitrag erhält.
Aber nicht nur die mentale Gesundheit will Instagram damit verbessern. Der Wohlfühlfaktor spielt dabei auch eine grosse Rolle. Viele User und Influencer posten oft nicht unbedingt das, was ihnen selbst am besten gefällt, sondern was bei der Community gut ankommt. Damit wollen sie eine hohe Engagement-Rate erreichen, um für Unternehmen attraktiv zu sein. Die Idee von Instagram war das aber nie. Durch das Abschaffen der Likes wollen sie erreichen, dass die User sich wohler/ freier fühlen und das posten, was ihnen gefällt. Ohne sich öffentlich zu «blamieren», sollten die Likes ausbleiben.
Denn gerade diese öffentliche Zustimmung in Form von Likes, oder eben deren Ausbleiben war einer der Gründe, warum Snapchat gerade bei jungen Nutzern so gut ankommt. In Fokusgruppen, die WebStages durchgeführt hatte, erzählen die Jugendlichen, dass sie sich auf Snapchat sicherer fühlen, denn erstens ist der Content nach 24 Stunden wieder weg und zweitens sieht es keiner, wenn es niemanden interessiert. Zugleich sehen alle, wenn der letzte Instagram-Post keine Likes bekommen hat. Was dann wiederum dazu führt, dass sie die Beiträge wieder aus dem Profil gelöscht werden.
Neben der eigentlichen Content-Erstellung ist das Vergleichen auf Instagram ebenfalls ein grosses Thema.
In der Schweiz sind die Altersgruppen zwischen 13-24 sowie 25-34 mit je rund einem Drittel aller Instagram Nutzerinnen und Nutzer am meisten vertreten sind (Stand März 2020). Die Bemühung von Instagram jüngere User durch das Weglassen des Like-Buttons hier etwas Druck zu nehmen, ist in Anbetracht der Nutzerzahlen auf jeden Fall begrüssenswert. Das zumindest ist die Hoffnung von Instagram.
Was bedeutet dieses Neuerung fürs Influencer-Marketing?
Erfahrene Agenturen und Marketing-Manager schauen bei der Influencer-Auswahl schon längst auf andere Kriterien als reine Follower und Like-Zahlen.
Während die durchschnittliche Engagement-Rate (Anzahl Likes und Kommentare im Verhältnis zu den Followern) zwar nach wie vor ein guter Indikator für die Qualität der Community ist, gewinnen Content-Originalität, Sentiment-Analyse der Kommentare, Audience Insights (Geschlecht, Herkunft und Alter der Follower) sowie die Werte des Influencers an Bedeutung. Mehr dazu in unserem Beitrag Inside the Instagram Insights: Wie man bei Instagram die relevanten Zahlen findet.
Da die Likes bei den aktuellen Tests für den Konto-Inhaber nach wie vor in den Insights angezeigt werden, können Unternehmen dennoch zu Auswertungszwecken diese Angaben beim Influencer anfragen. Dies ist heute bereits mit den DMs (also wie oft wurde ein Beitrag in einer privaten Nachricht (Direct Message) geteilt) der Fall. Die Unterwäsche- oder auch Gesundheitsbranche hat hier schon Erfahrung, denn die Interaktion mit diesen Themen findet in der Regel nicht öffentlich durch Likes oder Kommentare, sondern privat durch Bookmarks und DMs statt. Beides ist bereits heute nur in den Insights des Kontoinhabers sichtbar.
Wie genau diese Likes in den Insights angezeigt werden, ist jedoch noch nicht klar, denn auch hier hat Instagram verschiedene Optionen getestet. Solange für Unternehmen und Content Creators jedoch eine einfache Lösung geboten wird, steht der Neuerung auch aus Influencer-Marketing Sicht nichts im Wege.
Ausblick
Ob und wann die Likes auf der ganzen Welt ausgeschalten werden, ist noch unklar. Vorerst wird der Test in den genannten Länder weitergeführt.
Langfristig braucht es aber Aufklärung im gesunden Umgang mit Social Media, so dass die Plattformen wieder vermehrt als Ort der Begegnung und Inspiration genutzt werden können, mit oder ohne Like-Button.
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